Sell in May and go away – ist das wirklich sinnvoll?
Börsenweisheiten gibt es viele, doch was steckt wirklich dahinter? Denn eines dürfte klar sein, nur weil es gut klingt und seit Jahrzehnten wiederholt wird, ist es nicht automatisch korrekt. Die Börse orientiert sich nicht an Kalendersprüchen. Gilt das auch für die Börsenweisheit „Sell in May“ – oder steckt da nicht doch ein wenig Wahrheit dahinter? Es gibt vor allem in den USA viele Statistiken zur Börse, Sell in May ist nur eine davon.
Der Kern dieser Aussage lautet! Zwischen Mai und September tendieren die Aktienmärkte meist schwächer, während die Monate September bis April eine deutlich bessere Performance aufweisen. Oder anders formuliert, die Rendite an der Börse wird in den ersten vier- und den letzten beiden Monaten des Jahres gemacht. Ist das statistisch überhaupt belegt?
Sell in May – der historische Hintergrund
Die ursprüngliche Idee hinter dieser Faustregel war vor ca. 100 Jahren durchaus nachvollziehbar. In früheren Zeiten, als sich eine Order nur bei einer Bank oder sogar nur direkt an einem Börsenplatz aufgeben ließ, dauerte es Stunden – teilweise Tage – bis ein Kauf- oder Verkaufsauftrag ausgeführt war. Bis Anleger wussten, zu welchem Kurs man verkauft oder gekauft hat – dauerte es noch länger.
Wer sich als Anleger damals in den Urlaub verabschiedete und wochenlang keinen zugang zur Börse hatte, lief Gefahr, dass seine Aktien in dieser Zeit Verluste erleiden und man nicht reagieren könnte. Vieles würde man nicht einmal mitbekommen, oder erst dann, wenn es die Zeitungen berichtet hätten. Das bedeutet, von einem Crash haben die Anleger dann ggf. erst aus der Zeitung und dann evtl. auch noch im Urlaub erfahren.
Die Angst vor einem solchen Szenario entstand gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als die ersten Crashs der Börsen-Neuzeit deutlich machten, dass die damaligen Systeme, mit denen die Kursmeldungen aus den Handelssälen transportiert wurden, in kritischen Phasen einfach zu langsam waren. So konnte auf ein Crash-Szenario erst deutlich verspätet reagiert werden.
Also verkauften viele Investoren damals ihre Portfolios vor Beginn der Feriensaison, oder reduzierten diese – um im September wieder die Aktivitäten an der Börse aufzunehmen. Doch schon in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts funktionierte diese Systematik nicht mehr zuverlässig.
Sell in May – was sagt die Statistik
Doch wie sieht es – bezogen auf die letzte 21 Jahre – mit der Statistik zu dieser Theorie aus. Was wäre passiert, wenn Anleger Anfang Mai ausgestiegen wären. Hätte man Anfang September günstiger wieder einsteigen können?
In einigen Jahren hätte sich das in der Tat gerechnet, aber oft nur geringfügig. So wäre man im Jahr 2000 in der Tat billiger wieder in den DAX hinein gekommen, wenn man am 1. Mai aus- und am 1. September wieder eingestiegen wäre. Aber nur knapp 200 Punkte billiger … und hätte mitten in eine Baisse hinein weiter gekauft. Ein anderes Beispiel ist das Jahr 2006. Raus bei 6.014 Punkten, rein bei 5.861 Punkten. Oder 2010: Raus bei 6.122, wieder rein bei 5.936 Punkten – ob das sich für den Aufwand wirklich gerechnet hätte, ist fraglich.
Unter dem Strich habe ich die letzten 21 Jahre berücksichtigt, d.h. 2000 bis einschließlich 2020. Es gab demzufolge 13 Jahre, in denen diese Regel einen finanziellen Vorteil gebracht hätte. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass dabei einige Jahre nur einen marginalen Vorteil gebracht hätten, Anleger aber bisweilen eine Menge verpasst hätten.
Fazit
Diese „Börsenweisheit“ ist keine Basis für sinnvolle Anlageentscheidungen. Es fällt schon beim ersten Blick auf den DAX-Chart seit Beginn des Jahrhunderts wirklich auf – es ist die übergeordnete Trendrichtung. The Trend is your Friend, da ist übrigens viel Wahrheit dabei! Der Kalender ist es definitiv nicht – es ist die grundlegende Marktstimmung, die die Kurse bewegt.
Wenn man mitten in einer Baisse steckt, wie das 2000-2003 und 2008 der Fall war, hilft es auch nichts, die Monate Mai bis September – egal, ob man da dann Anfang oder Ende September zurückgekommen wäre – auszusteigen. Bewegt sich der Markt in einem mittel- und langfristig intakten Aufwärtstrend, ist das Risiko, in einer solchen Phase Gewinne zu verpassen, sehr hoch.
Am Ende bleibt eine Erkenntnis, die Börse und alles was damit im Zusammenhang steht, wie die wirtschaftliche Entwicklung, die aktuelle politische Situation und etwaige Finanzkrisen haben einen wesentlich größeren Einfluss auf die Börsenentwicklung. Die Börse ist zu komplex, um Kalendersprüche als Grundlage der eigenen Strategie einzusetzen.
In Sondersituationen – nehmen wir als Beispiel die Corona Pandemie. Als die Fallzahlen zurückgingen und immer mehr Menschen geimpft waren, gab es z.B. keinen Grund Anfang Mai sein Depot aufzulösen, um im September wieder einzusteigen. Auch wenn die Börse vieles schon eingepreist hat, dürfte der wirtschaftliche Aufschwung dazu beitragen, dass es zumindest keinen Grund gibt, der Börse bis Anfang September den Rücken zu kehren. Denn folgen Sie dem Trend!
Es gibt noch diverse andere – vor allem auf die US-Börsen bezogene Statistiken und Saisonalitäten, die wir hier zusammengefasst haben.
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